Psychodrama (von griechisch ψυχη „psyche“ „Seele“, und δράμα „drama“ „Handlung, Vorgang“) ist eine Methode der Gruppenpsychotherapie, entwickelt vom österreichischen Arzt Jakob Levy Moreno (1890 – 1974) in Wien.
Psychodrama als Gruppenpsychotherapie
Das Psychodrama entstand als „Therapie in der Gruppe mit der Gruppe für die Gruppe“ aus dem Stegreiftheater und war die erste Gruppenpsychotherapie. Der Klient (Protagonist) gestaltet als Hauptdarsteller des psychodramatischen Spiels im „Hier und Jetzt“ einer Psychodrama-Bühne sein therapeutisches Thema.
Als Mitglied der Gruppe erhält der Protagonist mit deren Erlaubnis die Möglichkeit, seine eigene Thematik oder diejenige der Gruppe mit der Unterstützung des „Spielleiters“ und ausgewählten Hilfs-Ichs zu bearbeiten. Die Zuschauer lassen sich vom Spiel des Protagonisten berühren, greifen mit Unterstützung des Spielleiters ein und geben zuguterletzt wie alle anderen Mitspieler eine empathische und, wo notwendig, kritische Rückmeldung. Allerdings kann es auch bei nicht oder kaum ins Spiel integrierten Zuschauern zu einer heilsamen Erschütterung, einer Katharsis, kommen.
„Ziel des Psychodramas ist die Aktivierung und Integration von Spontaneität und Kreativität. Konstruktives spontanes Handeln ist zustande gekommen, wenn der Protagonist für eine neue oder bereits bekannte Situation eine neue und angemessene Reaktion findet“ (Moreno,1959,S.34). Dieses Ziel wird auch für den Gruppenprozess als Ganzes angestrebt. Mit Hilfe der Gruppe soll sich der Protagonist von festgefahrenen Rollenstrukturen oder Rollenkonserven befreien.
Wir lernen soziale Rollen, welche den Individuen und individuellen Situationen nicht gerecht werden können. Je mehr die natürliche Kreativität – nach Moreno als „allerhöchste nukleare Struktur des Universums“ – durch verschüttete „Spontanität“ nicht zum Einsatz kommen kann, umso mehr sind wir an festgefahrene Rollenbilder verhaftet. Psychodrama-Techniken sollten nur von Therapeuten angewendet werden, die in der Lage sind, mit den aufgewirbelten Emotionen der Mitspieler umzugehen und diese aufzufangen.
Konzepte des Psychodrama
Moreno fügte wesentliche Konzepte für das Verständnis zwischenmenschlicher Beziehungen in die Psychotherapie ein. Wo die klassische Psychoanalyse die intrapsychische Energie und deren Umwandlungen im Beziehungsdreieck von Es, Ich und Über-Ich beschrieben hatte und die Analytische Psychologie von Carl Gustav Jung die Bedeutung der Archetypen als Niederschlag der evolutionären psychischen Entwicklung des Menschen betonte, sah Moreno den Menschen als einen Handelnden, der hauptsächlich mittels nonverbaler Kommunikation mit seiner beseelten Umwelt in Beziehung tritt. Moreno sah dabei die Rolle als kleinste Handlungs-, das Tele als kleinste Beziehungseinheit dieser Interaktion.
Methode und Techniken
Das Psychodrama besteht aus drei Phasen:
- Lockerung und Erwärmung
- Spiel und Handlung
- Integration (Sharing und Feedback durch die Gruppe)
Doppeln
Das Doppeln hilft dem Protagonisten, seine nicht bewussten oder abgewehrten Motive und Gefühle zu erkennen. Ein Teilnehmer stellt sich hinter ihn und flüstert ihm die Gefühle und Gedanken über die Schulter, die er intuitiv durch Einfühlung und Gegenübertragung beim Protagonisten wahrnimmt. Der Protagonist prüft dann, ob das Gehörte mit selbst Gedachtem oder Gefühlten übereinstimmt. Wenn ja, nimmt er es in seine Spielhandlung mit auf, wenn nein schüttelt er verneinend den Kopf.
Sharing und Feedback
Beim Sharing berichten zuerst die Mitspieler und dann die Zuschauer, was sie erlebt, und was sie für ihr eigenes Leben daraus gelernt haben. Beim Feedback geben die Mitspieler und die Zuschauer direkte Rückmeldungen an den Protagonisten. Beides dient der Verarbeitung des Erlebten und der Interaktion der Erfahrungen und Erkenntnisse und ist wesentlicher Bestandteil des Psychodramas als Gruppenpsychotherapie.
Transpersonales Psychodrama
Mittlerweile gibt es viele neue Psychodrama-Konzepte und Schulen. Das „transpersonale Psychodrama“ beispielsweise ist viel konfrontativer beim Doppeln, benutzt auch schon mal eine Gesprächsrunde als Bühne und integriert sinnvoll und effektiv systemische Methoden. Aber auch der Leiter hat beim transpersonalen Psychodrama eine etwas stärkere Rolle als im herkömmlichen Psychodrama. Von großer Bedeutung sind die analytischen, diagnostischen und technischen Fähigkeiten, Empathie und Intuition sind sein anderes wichtiges Standbein um einen effektiven Prozess zu gestalten.
Es wird weniger dem Zufall und den Selbstheilungskräften (obwohl diese unbedingt wahrgenommen und unterstützt werden) überlassen (was der Ebene von Selbsterfahrung entspricht), sondern der Protagonist wird in einen tief greifenden und ursächlichen Veränderungsprozess gelenkt. Am Institut für transpersonales Psychodrama – Hamburg wird seit vielen Jahren damit experimentiert und geforscht, verwandte Methoden wie z.B. systemische Lösungen, Familienskulptur (Virginia Satir), Innenreisen und gestalttherapeutische Ansätze zu integrieren. Im Psychotherapeutischen Institut Bergerhausen – Duisburg wird seit 1980 konsequent eine Integration des Psychodramas in das Menschenbild und die Werthaltungen der Humanistischen Psychologie durch in Theorie und Praxis entwickelt und gelehrt.
Psychodrama mit Kindern und in der Schule
Die Anwendung in der Schule ist erprobt. Psychodrama kann in der schulischen Arbeit eingesetzt werden. Anlass für die Anwendung dieser und verwandter Techniken im praktischen Alltag ist die weit verbreitete Beziehungslosigkeit zwischen Lehrern und Schülern in Deutschland, die eine Ursache für breites Versagen, Aussteigertum und Aggression in der Schule ist. Wenn Lehrer aus der emotionalen Beziehung zu ihren Schülern aussteigen, steigen Schüler aus der Schule aus. Somit ist diese Technik geeignet, einerseits den Beziehungsmisstand zwischen Lehrer (Selbstverständnis „reiner Fachlehrer“ = Unterrichtsvollzugsbeamter) und Schülern, wie auch unerwünschtes Verhalten von Kindern in Gruppensituationen der Schule zu bearbeiten.
Ziel der Arbeit mit dieser Technik zur Verhaltensänderung ist die Übertragung von alternativen Verhaltensmustern in die eigene Rolle. Das Kind oder der Jugendliche soll durch Dopplung, Rollentausch, Spiegeln oder den „Therapeuten“ als agierenden Deuter Rückmeldung erhalten über Rollenverhalten und was es bewirkt. Dabei ist nicht der Rollentausch auf der realen Ebene, sondern ein Arbeiten auf der Symbolebene ausschlaggebend für die erfolgreiche Anwendung der Psychodramatechnik. Also nicht der Schüler nimmt die Rolle des Lehrers ein und der Lehrer spielt den rebellischen Schüler, sondern es müssen Symbole her, an denen das Thema abgearbeitet wird.
Der Rollentausch auf der realen Ebene wäre eine paradoxe Intervention aus der Sicht der sozialpsychologischen Therapie.
Links
Literatur
- A. Aichinger, W. Holl: Psychodrama-Kinder-Gruppentherapie. Mainz: Grünewald, 1997
- A. Aichinger, W. Holl: Kinder-Psychodrama in der in der Familien- und Einzeltherapie, im Kindergarten und der Schule. Mainz: Grünewald, 2002
- F. v. Ameln, R. Gerstmann, J. Kramer: Psychodrama, Springer Verlag, 2004
- J. Fürst, K.Ottomeyer, H.Pruckner: Psychodrama-Therapie, Facultas 2004
- J.L. Moreno: Gruppenpsychotherapie und Psychodrama, Thieme Verlag, Stuttgart 1959
- H. Pruckner: Das Spiel ist der Königsweg der Kinder inScenario Verlag, München 2001
- P. Soppa: Psychodrama – Praxishandbuch, Leske und Budrich 2001
- A. Ploeger, K. Greven, L. Gührs, B. Schmidt: Tiefenpsychologisch fundierte Psychodramatherapie, Kohlhammer Verlag 1983
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