Neben genetischen Defekten und erworbenen Gehirnschädigungen erlebt man in Familienaufstellungen oft, dass das sog. hyperaktive Kind in der Familie nur der Symptomträger ist, die eigentliche Unruhe liegt außerhalb des Kindes. Es bringt demnach durch sein Verhalten die konflikthaften Beziehungen der Familienmitglieder untereinander zum Ausdruck. In der familiendynamischen Betrachtung versucht es, ein gestörtes Beziehungssystem auszubalancieren und oft auch zusammen zu halten.
Neurotisierende Familiendynamiken nach Richter
Nach Richter können Kinder in der Familie unterschiedliche Funktionen erfüllen. Besonders belastend für die seelische Entwicklungen von Kindern sind in seinen Augen:
- Das Kind als Wunschkind – das Kind wird idealisiert und mit hohen Erwartungen konfrontiert, die es nicht oder nur sehr schwer erfüllen kann
- Das Kind als Unglücksfall – das Kind spürt, daß es nicht erwünscht war
- Das Kind als Verbündeter – das Kind wird im Streit zwischen den Eltern zerrieben und verliert immer eines der Elternteile
- Das Kind als Versöhnungskind oder als Retter der Ehe
- Das Kind als Ersatzpartner und damit die Unmöglichkeit, ein Kind zu sein
Nach Franz Ruppert existiert die Möglichkeit, die Hyperaktivität als Traumaerfahrung zu behandeln. Er fragt zum Beispiel danach, inwieweit dem Symptom eine Traumaerfahrung zugrunde liegt oder ob sich das Symptom als Folge einer Bindungsstörung erklären lässt?
Hyperaktivität als Ausdruck eines frühen Traumas
Wobei Trauma immer ein großes Wort ist. Für mich bedeutet ein Trauma, dass ein Ereignis zu schnell, zu heftig, zu unerwartet und zu massiv über mich hereinbricht und mir aktuell Möglichkeiten der Bewältigung fehlen oder die Dinge, die ich normalerweise tue, um so etwas abzuwehren, mir nicht zur Verfügung stehen. Und dieses Zuviel stellt eine massive Überforderung dar, die uns machtlos macht und in Stress versetzt. Auf Stress reagieren wir mit fight, flight oder freeze.
Und manchmal stellt diese Hyperaktivität auch eine Übererregung des Nervensystems dar, die schon in sehr frühen Jahren stattgefunden hat und die sich seither hartnäckig im Nervensystem hält. Hier ist es sinnvoll, anhand eines Genogramm oder einer detaillierten Beschreibung der Entwicklung dieser frühen Übererregung auf die Spur zu kommen, die später zu einer Hyperaktivität führt.