Als Psychoedukation wird die Schulung von Menschen bezeichnet, die an einer psychischen Störung leiden. Häufige Einsatzgebiete sind Schulungen von Patienten mit Schizophrenie, aber auch bei Depressionen, Angststörungen, Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen, sowie Patientenschulungen im Rahmen der Behandlung körperlicher Erkrankungen. Gegebenenfalls werden dabei die Angehörigen mit einbezogen. Ziel ist, die Krankheit besser zu verstehen und besser mit ihr umgehen zu können, zum Beispiel, indem persönliche Erfahrungen mit der eigenen Erkrankung mit dem gegenwärtigen Wissen über die Erkrankung verbunden werden. Auch sollen eigene Ressourcen und Möglichkeiten kennengelernt werden, um mögliche Rückfälle zu vermeiden und selbst langfristig zur eigenen Gesundheit beizutragen. Die Aufklärung des Patienten über die Entstehungs- und Aufrechterhaltungsbedingungen der Störung bildet in der Verhaltenstherapie oftmals die Grundlage für sich anschließende Behandlungsschritte.
Psychoedukation
Da es den Patienten und Angehörigen oft schwerfällt, die Diagnose „psychische Störungen“ zu akzeptieren, hat die Psychoedukation auch die Funktion, zur Entstigmatisierung psychischer Störungen beizutragen und Barrieren zum Aufsuchen einer Behandlung abzubauen.
Der Einblick in die Ursachen und Wirkungen der eigenen Krankheit („individuelles Krankheitsmodell“), sowie der geschärfte Blick für Zusammenhänge wirken sich häufig positiv auf die Behandlung und den weiteren Verlauf der Krankheit beim Patienten aus. Das Wiedererkrankungsrisiko (Rückfallrisiko) kann dadurch gesenkt werden; Patienten und Angehörige, die über das Krankheitsbild genauer informiert sind, fühlen sich weniger hilflos.
Wichtige Elemente in der Psychoedukation sind:
- Informationsvermittlung (Symptomatik der Störung, Ursachen, Behandlungskonzepte etc.)
- emotionale Entlastung (Verständnis fördern, Erfahrungsaustausch mit anderen Betroffenen, Kontakte etc.)
- Unterstützung einer medikamentösen oder psychotherapeutischen Behandlung, indem die Kooperation zwischen Behandler und Patient (Compliance, Adherence) gefördert wird.
- „Hilfe zur Selbsthilfe“ (z.B. Trainieren, wie Krisensituationen frühzeitig erkannt werden und welche Schritte dann unternommen werden können)
Entstehungsgeschichte
Der Begriff „Psychoedukation“ (engl.: Psychoeducation) wurde erstmalig 1980 von dem US-amerikanischen Arzt C.M. Anderson im Rahmen der Schizophrenie-Behandlung gebraucht. Hierbei konzentrierte er sich sowohl auf die Aufklärung der Familienangehörigen bezüglich der Symptome und des Verlaufs der Erkrankung als auch auf die Stärkung sozialer Kompetenzen, auf die Verbesserung im Umgang der Familienmitglieder untereinander und auf effektivere Stressbewältigung. Ihren Ursprung hat Psychoedukation in der Verhaltenstherapie, in der das Wiedererlernen der eigenen emotionalen und sozialen Kompetenz im Vordergrund steht.
In den letzten Jahren werden zunehmend systematische Gruppenprogramme entwickelt, die so genannten Psychoedukativen Manuale, um das Wissen über einzelne Störungsbilder und Erkrankungen den Patienten und Angehörigen gut verständlich zugänglich zu machen.
Einzel- und Gruppenedukation
Psychoedukation kann im Einzelgespräch oder in Gruppen erfolgen und wird im deutschsprachigen Raum meist von Psychologen, Ärzten, aber auch von Dipl. Sozialpädagogen oder geschultem Pflegepersonal durchgeführt. In den Gruppen werden mehrere Patienten gemeinsam über ihre Erkrankungen informiert. Dabei spielen auch der Erfahrungsaustausch zwischen den Betroffenen und die gegenseitige Unterstützung eine Rolle beim Heilungsprozess.
Im pazifischen und asiatischen Raum werden psychoedukative Gruppenprogramme vermehrt von pflegerischen Fachkräften entwickelt und mittels Forschung überprüft.
Mögliche Risiken und Nebenwirkungen
Eigentlich spricht nichts gegen die Teilnahme an einer psychoedukativen Gruppe. Allerdings sind akut erkrankte Patienten mit einer schizophrenen Psychose, die unter massiven Denk-, Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen leiden, zu Beginn ihrer Erkrankung häufig überfordert, wenn sie mit zu vielen Informationen konfrontiert werden. Neben den positiven Effekten einer therapeutischen Maßnahme wie der Psychoeduktion sollten grundsätzlich auch mögliche Risiken in Betracht gezogen werden.
Die Vermittlung detaillierten Wissens über die Krankheit, insbesondere über Heilungschancen, Therapiemöglichkeiten und Krankheitsverläufe kann den Betroffenen bzw. dessen Angehörige u.U. stark belasten. Deshalb sollte man sich zuvor ein genaues Bild über den momentanen psychischen Zustand des Patienten machen. Dabei sollte berücksichtigt werden, über wieviel Wissen der Patient bereits verfügt und wieviel Wissen der Patient im aktuellen Zustand überhaupt aufnehmen und verarbeiten kann. Dabei sollte die Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit sowie die emotionale Belastbarkeit des Patienten berücksichtigt werden.
Im Rahmen einer Psychoedukationsmaßnahme kann nur eine (möglichst empirisch gut begründete) Auswahl an Sichtweisen bzw. Therapiemöglichkeiten berücksichtigt und mit dem Betroffenen durchgesprochen werden. Somit können Betroffene möglicherweise ein unvollständiges Bild über ihre Krankheit und ihre Behandlungsmethoden erhalten und hinsichtlich von Behandlungsalternativen nur auf entsprechend eingeschränktem Informationsniveau entscheiden. Jedoch sollte auch bei einer vollständigen Darstellung der Behandlungsmöglichkeiten darauf geachtet werden, die Betroffenen nicht mit zu vielen Informationen zugleich zu überfordern.
Literatur
- Behrendt, B. (2001) Meine persönlichen Warnsignale.Ein psychoedukatives Therapieprogramm zur Vorbeugung von Rückfällen bei schizophrener oder schizoaffektiver Erkrankung. Tübingen: DGVT-Verlag. (Manual für Therapeuten und für Betroffene)
- Behrendt, B. Schaub. A. (Hrsg.) 2005 Handbuch Psychoedukation und Selbstmanagement. Verhaltenstherapeutische Ansätze für die klinische Praxis. Tübingen: DGVT-Verlag.
- Berger H, Friedrich J & Gunia H (2004) Psychoedukative Familienintervention (PEFI). Stuttgart: Schattauer.
- Buttner, Peter (1996) Psychoeduktion in der Schizophreniebehandlung. Anwendungshäufigkeit, Verfahren, Wirksamkeit. München, Techn. Univ., Diss.
- Bräuning, P., Wagner, P. (2004) Zwischen den Polen von Manie und Depression, Wegweiser für Betroffene und Angehöriger
- D’Amelio R., Behrendt B., Wobrock T (2006) Psychoedukation bei Schizophrenie und Sucht. Manual zur Leitung von Patienten- und Angehörigengruppen. München: Elsevier
- Hornung, W.P. (1998) Psychoedukation und Psychopharmakotherapie. Schattauer
- Kieserg A & Hornung WP (19962). Psychoedukatives Training für schizophrene Patienten (PTS). Tübingen: DGVT-Verlag.
- Klingberg S, Schaub A & Conradt B (2003). Rezidivprophylaxe bei schizophrenen Störungen. Weinheim: Beltz.
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