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Opfer und Täter

Gerade aus dem Weltkriegskontext heraus erleben wir – wenn es in Familienaufstellungen gerade Thema ist – eine unwahrscheinlich starke Verbundenheit zwischen Tätern und Opfer. Wobei diese Verbundenheit nicht im normalen Kontext der “innigen Verbundenheit” zu sehen ist, sondern als eine Art energetisches Band, das den einen vom anderen nicht mehr loslässt.

Eine wichtige Grundlage beim Familienstellen ist die Auflösung von Schuld, da sie eine Atmosphäre der Trennung unterhält. Der Täter fühlt sich beispielsweise ausgestoßen, das Opfer braucht die Ausgrenzung und Schuldzuweisung, um den eigenen Schmerz nicht spüren zu müssen. Diese Trennung ist Abwesenheit von Heilung, sie schafft keinen Frieden. Ein Lernziel aus einer Aufstellung mit dieser Thematik kann sein, die beiden Schicksale zu respektieren. In diesem Prozess des Erkennens weicht die Schuld des Täters der Eigenverantwortung für die Tat. Das Opfer kann sich aus der Angst- oder Hassbindung zum Täter lösen und erfährt eine Annerkennung des eigenen Schicksals.

Opfer und Täter: Unheilvolle Dynamik

Es wurde in vielen Aufstellungen immer deutlicher, dass es Opfer und Täter zueinander zieht, dass es zwischen ihnen zu einer unauflöslichen Bindung gekommen ist, die durch den Ausschluss der Täter nur noch mehr belastet wird. Eine Versöhnung aber bekommt nur Kraft, wenn der Täter nicht entschuldigt und ihm nicht verziehen wird. Nicht das Verzeihen ist die Lösung, sondern dass der Täter die Folgen der Tat auf sich nimmt, dass mit der Zeit die Tat und ihre Wirkung aber auch vorbei sein dürfen.

Wir wissen, dass wir selbst oft nur deshalb unschuldig bleiben, weil unsere Lebensumstände es erlauben, und dass Unschuldigsein mehr ein Geschenk als eine Leistung ist. Ich denke dabei daran, dass wir heute in einem sicheren und kriegslosen Land aufwachsen und ich denke manchmal darüber nach, wie ich in Zeiten des 3. Reiches wohl gehandelt hätte, bei einem völlig anderen Kontext als 2008.

Obwohl weder durch Elternschaft noch durch Liebe entstanden, ist die seelische Bindung eines Täters an sein Opfer oft von einer Qualität, die andere Bindungen nachrangig erscheinen lässt. Wer am Tod eines anderen Menschen schuldig ist, hat dieses „auf dem Gewissen“. Aber auch das Gefühl, Opfer zu sein, überdauert. Das Verharren in einer Opferposition macht unglücklich und ist auch für andere gefährlich. Wer sich selbst als Opfer erlebt, wird blind und macht andere mit gutem Gewissen auch zum Opfer.

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Opfer und Täter im Familiensystem

Ein Phänomen, das immer wieder zu beobachten ist, kommt aus der jüngsten Vergangenheit, dem zweiten Weltkrieg: Die Täter, die ihre Verbrechen oder Taten verheimlichen, machen es in erster Linie zum Selbstschutz und zum Schutz ihrer Familie vor sozialer Ächtung. Die Opfer der Taten schweigen aus Scham.

Manche Menschen spielen beim Verheimlichen und Verbergen in der Dynamik Opfer und Täter in Familiensystemen aus Loyalität mit, weil sie als Partner, Geschwister, Freund, Arzt oder Priester in die Taten mit hineingezogen werden und meinen, noch etwas retten und Böses durch Gutes ausgleichen zu können. In der Regel aber bürden sie alle zusammen den nachfolgenden Generationen mit dem Verschweigen der Wahrheit eine ungeheure Last auf, an der viele der Kinder, Enkel- und Urenkelkinder seelisch zerbrechen.

Wenn einer dem anderen etwas Schlimmes antut, bedarf es eines Ausgleiches zwischen Opfer und Täter. Der gesellschaftliche Ausgleich ist die gesetzliche Strafe, doch gleicht sie das persönliche Leid nur abstrakt und anonym aus. Beim Geschädigten oder deren Angehörigen bleiben trotz einer Verurteilung ein Rest an Rache-, Wut- oder Vergeltungsgedanken und ein Gefühl des Unrechts, auch wenn der Täter seine Strafe abgesessen hat, besonders dann, wenn das Opfer oder die Hinterbliebenen weitere Folgen des Vergehens tragen müssen. Das Opfer wünscht meist dem Täter das Gleiche, was es selbst erlitten hat. Er sollte genauso und genauso lange leiden.

Einen zeitnahen Ausgleich zwischen Opfer und Täter gibt es meistens in schwer wiegenden Fällen nicht, wie zum Beispiel bei Mord, Totschlag, Vergewaltigung, Missbrauch sowie Todesangst oder beim Verlust von Körperteilen nach einem Unfall bei Mitverschuldung. Es bleibt eine Restschuld, mit der der Täter lebenslang leben muss. Nimmt der Täter das auf sich und lebt bewusst damit, ist dies eine Genugtuung für das Opfer und damit ein Ausgleich auf Zeit – ein temporärer Ausgleich. Jetzt kann das Opfer die Unrechtsgefühle lassen und sich emotional vom Täter trennen, mit dem es bis jetzt durch die Tat und deren Folgen sowie durch das Gefühl des Unrechts verbunden war.

Das Opfer emanzipiert sich und durchtrennt diese Bindung zum Täter, das Leben darf weitergehen. Für sich und für seine Nachkommen. Das wäre ein guter Ausgleich zwischen Opfer und Täter als Beispiel.

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